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Vertrieben aus Hietzing

Maria Pelikan

Maria Pelikan (geb. Mauthner) ging in der Wenzgasse zur Schule. Sie hat lebhafte Erinnerungen an ihre Schulzeit.

Meine Familie hieß Mauthner. Wir wohnten in einer Villa, die meine Eltern um 1923 gekauft hatten. Die Adresse war Wien 13, Reichgasse 43. Meine Familie bestand aus: meinem Vater – Siegfried Mauthner, Mutter – Anny Mauthner, Großmutter – Therese Weiss, Bruder – Ernst Mauthner (geb. 1923) und mir, Maria Mauthner (geb. 1920).

Obwohl wir Volljuden waren, waren wir nicht jüdischer Religion, sondern katholisch. Mein Vater war bei seiner Geburt getauft worden, meine Mutter knapp bevor sie geheiratet hat (1919). Mein Bruder und ich wurden bei Geburt getauft und wuchsen als katholische Kinder auf. Ich erfuhr erst 1933, also mit 13 Jahren, dass ich zwei jüdische Großeltern – die Eltern meiner Mutter – und zwei katholisch getaufte jüdische Großeltern – die Eltern meines Vaters – hatte.

Meine mütterliche Großmutter war die einzige Person jüdischer Religion in dem Haus. Aber sie übte ihre Religion nicht aus. Wir gingen nur zu Hochzeiten und Begräbnissen in die Synagoge, denn meine Eltern hatten viele Freunde und Bekannte, die Juden geblieben waren. Ich ging damals in das Gymnasium in der Wenzgasse, auch MM13 genannt. Ich durfte Matura machen, aber nicht nachher in die Matura Kneipe kommen.

Wenige Tage nach dem „Anschluss“ kam unsere wunderbare, viel geliebte, halbjüdische Klassenvorständin in die Klasse und sagte: „Ich habe die unangenehme Aufgabe, Euch zu bitten, dass ihr aufsteht, Eure Religion angebt und bei den christlichen Religionen auch die Zahl Eurer arischen Großeltern.“ Die meisten sagten natürlich „Katholisch, vier“ und eine sagte „Katholisch, zwei“. Nur ich sagte: „Katholisch, null“. Es kam vielleicht etwas komisch heraus, denn meine Feststellung hatte in der Klasse einen Lacherfolg. Nicht, dass da wirklich so viel zu lachen war.

Gleich nach dem „Anschluss“ sorgten meine Eltern dafür, dass mein Bruder und ich nach Amerika auswanderten. Später war mein Vater dann in Wien eingesperrt, und zwar auf der Elisabeth-Promenade. Das Haus in Hietzing und das Geschäft meines Vaters, Michael Goldschmidt Söhne, Stock-im-Eisenplatz 1, wurden meinen Eltern weggenommen. Genau weiss ich leider nicht, wie das damals gemacht wurde. Mein Vater kam nach einigen Monaten Gefängnis heil heraus und wanderte mit meiner Mutter zuerst nach Schweden und dann nach New York aus.

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